In 2024 haben wir in einem partizipativen Vorgang mit über 40 Workshops an 13 verschiedenen Bildungseinrichtungen das Projekt “wo-hin” entwickelt, um mit jungen Menschen an der Demokratiefähigkeit zu arbeiten. Das bedeutet für uns sowohl die Aufklärung und Information was Demokratie ist und vor allem das praktische üben: die eigene Stimme finden, sich mitteilen, aktives Zuhören, miteinander abstimmen, Kontroversen aushalten. Die gesellschaftliche Entwicklung zeigt für uns immer deutlicher, wie wichtig diese Fähigkeiten für unsere Zukunft sind.
Unsere Zusammenarbeit mit einer Bildungseinrichtung wird jeweils aus drei Interaktionen bestehen:
• Ein Workshop mit 5 Zeitstunden je Klasse/Seminar. Jeder Klasse steht ein Team von zwei Workshopleitenden zur Verfügung.
• Eine konkrete Aktion mit gesellschaftlicher Relevanz, an der die beteiligten Bildungseinrichtungen aus der Region zusammenkommen. Unser Fokus liegt auf Baumpflanzungen und Naturerfahrungen sowie Beteiligung bei Volksbegehren.
• Zum Abschluss gibt es noch mal einen Workshop wieder in den Klassen/Seminaren, wie bei der ersten Einheit. Hier würde auch unser fahrender OMNIBUS ebenfalls vor Ort sein.
Im Folgenden beschrieben wir den Inhalt der drei Interventionen.
Wir arbeiten im Klassenraum mit unterschiedlichen Methoden und Ansätzen, bei denen die Selbsterfahrung und der gemeinsame Austausch im Mittelpunkt stehen. Entsprechend gibt es sowohl stille Einzelarbeit, kleine Arbeitsgruppen wie auch immer wieder den Austausch in der ganzen Klasse. Für manche Teile wird auch der Klassenraum verlassen.
Das besondere an der Direkten Demokratie ist der Einzelne Mensch, der das Ganze mitgestalten kann. Wir schaffen einen Raum, in dem der einzelne Mensch zum Vorschein kommen kann und sich mit sich selber auseinandersetzen, sich selber ins Spiel bringen kann. Das, was die jungen Menschen individuell bewegt und beschäftigt. Ihre Themen, Fragen und Anliegen bilden dann den roten Faden für die Workshops.
Demokratie lebt davon, dass unterschiedliche Perspektiven nebeneinanderstehen und sich bereichern. Deshalb geht es als nächstes darum, dass die jungen Menschen sich mit ihren Themen und Anliegen mitteilen und gegenseitig wirklich zu hören. Die entstehenden Unterschiedlichkeiten und auch Widersprüchlichkeiten zu respektieren und in ein gemeinsames Gespräch, einen Austausch zu kommen, erleben wir als zentrale Fähigkeit, die wir in einem geschützten Raum kultivieren wollen.
Zitat eines Schülers
Danach kommt es zu einer praktischen Abstimmung, bei der eine gemeinsame Entscheidung getroffen wird, mit welchem der von den Schüler*innen eingebrachten Themen weitergearbeitet wird. So wird Demokratie als Miteinander auf Augenhöhe erlebbar, wo jede*r eine Stimme hat und gleichberechtigt ist, konkret den weiteren Verlauf mitzuentscheiden.
Erst jetzt, zum Ende des Workshops wird der Bezug der praktischen Erfahrungen zur Direkten Demokratie hergestellt: wie spielerisch im Workshop erlebt, ist auch auf Kommunaler- und auf Bundesland-Ebene die Beteiligung der Bürger*innen möglich.
Für diesen Teil besuchen wir auch unseren fahrenden OMNIBUS, der während des gesamten Schultages an der jeweiligen Bildungseinrichtung vor Ort sichtbar auf dem Schulgelände sein wird. Werner Küppers, der seit 25 Jahren den OMNIBUS fährt, wird mit seinem Team dort für alle Menschen der Schule zur Verfügung stehen und von seinen vielfältigen Erfahrungen in unzähligen Gesprächen mit den Bürgerinnen und Bürgern berichten.
Sehr wesentlich ist für uns eine gemeinsame Aktion, mit allen Einrichtungen aus einer Region, die außerhalb der jeweiligen Bildungseinrichtung stattfindet. Dabei fokussieren wir uns auf sinnlich-haptische Aktionen im öffentlichen Raum. So werden z.B. Bäume geflanzt oder Unterschriften für Volksbegehren gesammelt.
Seit 1990 ist der OMNIBUS beteiligt an der Skulptur „Baumkreuz“ an der Deutsch-Deutschen Grenze. Jedes Jahr werden dort in Kooperation mit dem „BUND“ Bäume gepflanzt und gepflegt. Diese Erfahrung wollen wir weitertragen und an der Frage des Klimawandels prototypisch durch die Baumpflanzung vermitteln, wie jede*r Einzelne aktiv und wirksam werden kann.
Zitat einer Lehrerin
Immer schon gehört es zur Arbeit des OMNIBUS die Direkte Demokratie handfest zu unterstützen, wo sie stattfindet. Bei unzähligen Volksbegehren haben wir geholfen Unterschriften zu sammeln. Diese unmittelbare Demokratieerfahrung auf der Strasse wollen wir ebenfalls mit Schüler*innen teilen. Und die Grundlagenarbeit der Demokratie praktisch erproben: das Gespräch mit allen Menschen.
Neben der praktischen Arbeit steht bei der 2. Interaktion die Begegnung und der Austausch der verschiedenen Gruppen von jungen Menschen untereinander im Fokus. Die gemeinsame Erfahrung des Demokratie-Workshops schafft eine Verbindung, nun mit ganz neuen Menschen gemeinsam an und in der Gesellschaft zu arbeiten.
Als Abschluss werden wir in einem zweiten Besuch in der Bildungseinrichtung mit den jungen Menschen gemeinsam den ersten Workshop und die gemeinsame Aktion reflektieren.
Im Vordergrund des zweiten Besuchs steht allerdings zum Einen, das Thema der 1. Interaktion aufzugreifen und hierzu gemeinsam Handlungsmöglichkeiten und Lösungsansätze zu entwickeln. Gemeinsam werden Ideen gefunden, das können auch ganz kleine sein, die im unmittelbaren Umfeld angegangen werden könnten.
Wenn wir uns zusammentun und nach Möglichkeiten suchen, finden wir gemeinsam Wege, die Ohnmacht der „Zuschauer*innen-Perspektive“ zu verlassen und uns im Kleinen als aktiv Mitgestaltende zu erleben. So wird Selbstwirksamkeit erlebbar – das ist das Ziel.
Den zweiten Schwerpunkt der 3. Interaktion bildet das soziale Klima der Klasse/Gruppe. So wird das vorherige noch greifbarer: anhand des sozialen Klimas in der Klasse zeigen wir ganz praktisch auf, wie das Soziale gemeinsam gestaltet werden kann.
Der Ausgangspunkt ist die konkrete Frage: Was belastet dich in deiner Klasse? Was würdest du gerne am Klassen-Klima, am Miteinander verändern und wie?
Zitat einer Schülerin
In einem behutsamen Prozess sprechen wir über den sozialen Raum. Wie er sich für die Schüler*innen anfühlt und was er braucht. Dazu werden anschließend konkrete Vorschläge erarbeitet für Vereinbarungen, die das miteinander in der Klasse bewusst gestalten. Diese werden zum Ende abgestimmt als verbindliche Vereinbarung. An dieser Stelle versuchen wir auch die Lehrer*innen aktiv mit einzubinden.
So wird im „Kleinen“ geübt und praktiziert, was Demokratie für uns bedeutet: dass jede*r die Verantwortung hat, die gesellschaftlichen Vereinbarungen mit zu gestalten.